Leipzig, Lissabon, Wuppertal

Uli Johannes Kieckbusch

Uli Johannes Kieckbusch liebt außer­gewöhnliche Musik und guten Kaffee. Was er überhaupt nicht mag: zweck­entfremdete Begleitmusik. Zu Besuch bei dem Wahlwuppertaler aus Baden-Württemberg.

Uli Johannes Kieckbusch lacht viel und gerne. Es ist kein verschmitztes oder unterdrücktes Lächeln, das man als höfliche Geste verstehen könnte. Es ist ein herzliches, explosives, ein ehrliches Lachen. Eines, mit dem er sein Gegenüber ansteckt. Kieckbusch ist zugezogen. Das kann man gut hören, wenn er mit typisch badischem Dialekt klarstellt, dass er kein Schwäbisch spricht. Ende 2019 verließ er seine langjährige Heimat Baden-Württemberg und verabschiedete sich mit einem letzten Konzert von seiner langjährigen Tätigkeit als Lehrer für Klavier, Komposition und Improvisation. Mitten in der Coronapandemie, die das gesamte Land in Quarantäne versetzte, zog er in seine neue Wohnung mitten im Wuppertaler Luisenviertel. Es hätte allerdings auch anders kommen können.

Kieckbusch ist Komponist, Pianist, Improvisationstalent, Installationskünstler, Organisator, Livemusiker. Kurz: ein Kreativer mit Leib und Seele. Und er ist jemand, der sich sehr gut informiert, bevor Entscheidungen getroffen werden. So hat der 69-Jährige unglaubliche 400 Espresso-Bohnen von verschiedenen Anbietern getestet, bevor er sich auf eine Sorte aus einer Frankfurter Rösterei festlegte. Auch seine neue Heimat musste strengen Kriterien genügen. „Ich wollte einen Alltag ohne Auto, aber nicht auf Kultur und Freizeit­angebote verzichten“, so Kieckbusch. Unter den Top 3 der Städte, die er nach ausführlicher Recherche in Betracht zog, waren Lissabon, Leipzig und eben Wuppertal. „Hier kann ich fast alles zu Fuß erreichen, oder ich nehme die Schwebebahn. Und im Vergleich zu Leipzig ist Wuppertal einfach echt.“ Als eingefleischter Jazz-Fan sind ihm natürlich der ort (Peter Kowald Gesellschaft) in der Luisenstraße und das Loch an der Bergstraße ein Begriff. Dass ein paar Häuser weiter die Free-Jazz-Legende Peter Brötzmann wohnt, ist ihm ebenfalls bekannt. Auch die historische Stadthalle lobt Kieckbusch in höchsten Tönen, vor allem dessen besondere Akustik, die international Anerkennung findet. „Da kann man in Wuppertal richtig stolz drauf sein“, findet der Musiker. Zu der Sophienkirche, deren Turm er aus seinem Wohnzimmer sehen kann, hat er seit Kurzem eine besonders enge Beziehung.

Musik und Mut
Seit Anfang 2023 ist Uli Johannes Kieck­busch neuer künstlerischer Leiter der Kon­zert­reihe UNERHÖRT!, die seit 28 Jahren Musikfreunde in die Kirchenräume lockt. Er tritt damit die Nachfolge des Wuppertaler Pianisten Bernd Köppen an, der die Reihe 1995 ins Leben gerufen hatte. Eigentlich hatte Kieckbusch nicht vor, in Wuppertal Konzerte zu organisieren. „Ich habe das lange gemacht und weiß, wie viel Arbeit es ist.“ Vielmehr war der Plan, die Zeit zum Komponieren neuer Stücke zu nutzen. Als er von der geplanten Auflösung des Vereins hörte, konnte er aber nicht anders. Einmal im Monat gibt es in der UNERHÖRT!-Reihe ungewöhnliche und experimentelle Livemusik abseits der Norm. Das Konzept ist ganz nach Kieck­buschs Geschmack. „Man muss etwas wagen, nach vorne gucken in der Musik.“

Was dem Neuwuppertaler hingegen gar nicht gefällt, ist die missbräuchliche Verwendung von Musik als Begleitung, als belangloses Hintergrundrauschen. Besonders, wenn solche Stücke als Untermalung für Dokumentationen oder andere Informationsformate genutzt werden, die er selbst erkennt. „Warum muss immer über­all zwanghaft Musik unterfüttert werden, die dafür nicht gedacht ist?“ Für jemanden, der sein ganzes Leben der Musik verschrieben hat, ist diese Zweckentfremdung ein echtes Ärgernis. „Ich habe sogar mal mit dem Gedanken gespielt, eine Gesellschaft gegen den Missbrauch von Musik zu gründen“, sagt Kieckbusch und lacht. Musik, die zum konzentrierten Zuhören gemacht wurde, sollte auch so konsumiert werden, findet der Pensionär.

„Ich wollte einen Alltag ohne Auto, aber nicht auf Kultur und Freizeit­angebote verzichten.“

Uli Johannes Kieckbusch

Bei seinem Umzug von Balingen nach Wuppertal musste natürlich auch der geliebte Bösendorfer Flügel mit. Das wuchtige Grand Piano hat eine beschwerliche Reise hinter sich. Mit einem Kran wurde es durchs Fenster gehievt. Nur war das nicht groß genug, um den Flügelkorpus ins Innere zu lassen. Deshalb musste es durch Heraussägen einer Querstrebe kurzerhand passend gemacht werden. Heute füllt die glänzende schwarze Schönheit beinahe das gesamte Wohnzimmer des Musikers. Der weiche und durchdringende Klang, der ertönt, wenn Kieckbusch gefühlvoll die Tasten bearbeitet, macht die anfänglichen Strapazen vergessen. Dazu tragen auch die zwei zusätzlichen Bass-Saiten des Bösendorfer Grand Piano bei, mit denen sich zusätzliche Farben ins Klangbild einfügen lassen. Eine Eigenschaft, die Kieckbusch sehr entgegenkommt. Er liebt das lebendige und runde Spiel an den Tasten.

Komponist Uli Johannes Kieckbusch an seinem Bösendorfer Grand Piano

Komposition in Rekordlänge
Die Kompositionen des Viertelbewohners entstehen meist abseits von festen Schubladen. Kieckbusch interessiert sich für viele Stile. Darunter natürlich klassische Musik, aber auch Jazz, Blues, Neue Musik, osteuropäische Folklore, indische Musik, Fado und argentinischer Tango. „Ich liebe die Vielfarbigkeit und bin immer neugierig“, sagt er. „Komponieren und Improvisieren sind die zwei wichtigsten Ausdrucksformen meines Schaffens.“ Schon in jungen Jahren, während seiner Studien­zeit an der Staatlichen Hochschule für Musik in Trossingen, war es ihm wichtiger, sich ein breites Wissen anzueignen als sich dem Virtuosentum zu verschreiben.

In den letzten Jahren hat Uli Johannes Kieckbusch diverse Partituren und mehrere Alben veröffentlicht. Darunter sein Solo-Album mit dem Titel „All is loneli­ness“ sowie eine Kooperation mit der Wuppertaler Tango-Geigerin Julia Jech („C-Deformationen“). Sein Album „Es ist noch nicht alles verloren“ wurde im letzten Jahr veröffentlicht.

Im Jahr 2000 hat er es sogar ins Guiness Buch der Rekorde geschafft – allerdings eher unfreiwillig. „Ich sollte eine Komposition für das Klavierduo-Festival in Bad Herrenalb schreiben. Und die sollte möglichst lang sein.“ Das Ergebnis war eine vierstündige Komposition, die als längstes Stück für Klaviere in die Geschichte einging. Für Kieckbusch selbst war der Rekord eher ein „quantitatives Highlight“ seiner Laufbahn. Zu den qualitativen Highlights zählen hingegen die zahllosen gemeinsamen Konzerte, unter anderem mit der Pianistin Irène Schweizer, dem New Yorker Pianisten Borah Bergman oder mit Cecil Taylor. Wenn Kickbusch von seinen damaligen Kooperationspartner:innen spricht, leuch­ten seine Augen. Und dann ist da wieder dieses ansteckende Lachen.

Text: Marc Freudenhammer
Fotos: Süleyman Kayaalp

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