Alles im Lack

Viola Wessler vor dem Haus der Jugend in Wuppertal Elberfeld

Jugendliche brauchen ihre eigenen Räume. Die Wall of Fame am Jugendzentrum in Elberfeld ist so ein Raum. Und Viola Wessler ist diejenige, die sich dafür stark macht.

Ein Meer aus Farben und Formen begrüßt uns auf dem Weg zum Haus der Jugend. Je höher man die Stufen in Richtung Ölberg erklimmt, desto tiefer taucht man ein in diesen lebendigen Organismus, der täglich sein Gesicht verändert. Die Rede ist von der Wall of Fame, die eigentlich eine Hall of Fame ist, aber vor rund 30 Jahren als einzelne Wand gestartet ist, wie Viola Wessler erklärt. Seit 2016 ist sie Fachbereichsleiterin Jugend & Freizeit der Stadt Wuppertal und hat über die Jahre eine besondere Beziehung zum Thema Graffiti entwickelt.

In ihrer Freizeit fotografiert sie die immer wieder neuen Sprühgemälde am Haus der Jugend und veröffentlicht diese im Insta­gram-Kanal „Malen für den Augenblick“. „Der Name geht auf ein gleichnamiges Bild zurück, das ich vor vielen Jahren hier vor Ort fotografiert habe“, so Wessler. Fast jeden Tag dokumentiert sie die neuen Arbeiten, die die meist jugendlichen Künstler auf den legalen Flächen hinterlassen. Wenn sie es mal nicht schafft, Aufnahmen zu machen, delegiert sie diese Aufgabe weiter. Oft ist es dann ihr Mann, der mit dem Smartphone bewaffnet auf Bilderjagd gehen muss. Der Zeitfaktor ist dabei entscheidend. Schließlich überleben viele der Werke oft nur ein paar Tage, manche sogar nur ein paar Stunden.

Die gesprühten Werke am Haus der Jugend in Wuppertal Elberfeld sind oft nur für wenige Stunden zu sehen.

Ohne Wertung

„Das ist wie eine Tafel, die immer wieder mit neuen Inhalten überschrieben wird“, sagt Wessler. „Malen für den Augenblick“ bringt es also ganz gut auf den Punkt. Über 1.000 Beiträge haben sich seit dem ersten Post in 2018 angesammelt. Viele davon mit vier oder mehr einzelnen Bildern. „Grundsätzlich komplett ohne Wertung der künstlerischen Leistung.“ Darauf legt Wessler großen Wert. Da kann es dann auch mal sein, dass das Werk eines semi-professionellen Malers direkt neben einer eher kindlichen Arbeit steht.

„Man darf nicht vergessen, die Jugend ist inzwischen in der Minderheit.“

Viola Wessler

Das Wort „Malen“ ist in diesem Zusammenhang für Außenstehende oft etwas missverständlich, da die Jugendlichen in der Regel nicht mit Farbeimer und Pinsel, sondern mit Rucksäcken voller Sprühdosen anrücken. Viola Wessler nennt es trotzdem so, einfach weil es dem Szene-Slang entspricht. „Ich habe in den vergangenen Jahren viel dazu gelernt“, sagt sie. Zum einen aus echtem Interesse an der Szene und zum anderen, weil es um mehr geht als die Kunst an der Wand. Der verwinkelte Platz am Fuße des Ölbergs ist nämlich einer der wenigen echten Jugend-Orte im Stadtgebiet. Ein öffentlicher, aber eindeutig der Jugend vorbehaltener Raum. Hier können sich die jungen Künstler – und auch viele Künstlerinnen, wie Wessler betont – mit ihren Sprühdosen ausleben, ohne irgendwelche Vorgaben oder Erwartungen seitens der Eltern, Lehrer oder anderer Erwachsener. „Es gibt insgesamt nur zwei Flächen in Wuppertal, an denen Jugendliche legal malen können: unsere Wall of Fame und die Wand am Tanztunnel“, so Viola Wessler. „Eigentlich bräuchten wir viel mehr davon.“

Die kürzlich entstandene stadtweite Galerie an riesigen Murals trage aber nicht wirklich dazu bei, dass die Graffiti der jungen Menschen mehr Anerkennung in der Bevölkerung erhalten. „Diese Bilder werden einfach ganz anders wahrgenommen. Wie die Kunst in einem Museum.“ Die Farbwelten am Haus der Jugend würden von vielen als Schmierereien gesehen. „Ich persönlich habe eine Hochachtung vor der Kunstform“, so Viola Wessler. Die Leistung und den Einsatz vom Verein Urba­ner Kunstraum Wuppertal findet sie dennoch beeindruckend.

Freiräume schaffen

Als Fachbereichsleiterin Jugend & Freizeit hat Wessler den Überblick über die verschiedenen Angebote in Wuppertal. Insgesamt sind es 18 Einrichtungen. Dazu zählen nicht nur die Jugendzentren mit ihrem Programm, sondern zum Beispiel auch die Spielplätze und Beratungsangebote. Ihrer Erfahrung nach haben die jungen Menschen keine echte Lobby in unserer Stadt. „Viele Erwachsenen haben Angst vor Jugendlichen“, sagt sie. Und ergänzt: „Man darf nicht vergessen, die Jugend ist inzwischen in der Minderheit.“ Umso wertvoller seien eben Angebote, die ganz ohne Forderungen einen Freiraum schaffen würden. So wie die Wall of Fame, die hoffentlich noch viele Jahre als legaler Raum für die jungen Nachwuchsmaler zur Verfügung stehen wird.

Text: Marc Freudenhammer
Foto: Süleyman Kayaalp

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