Mit Menschen

Beim Verein Mit-Menschen dreht sich alles um die Unterstützung von Menschen mit Behinderung. Das Ladenlokal in der Friedrich-Ebert-Straße liegt mitten im Viertel – und genau das ist das Ziel.

Oskar lacht viel, ist immer in Bewegung. Manchmal dreht er sich etwas zur Seite weg, so als ob ihm etwas unangenehm wäre. Dabei ist er gar nicht schüchtern. Wie es sich für einen Siebenjährigen gehört, plappert er gerne mal dazwischen, wenn sich die Erwachsenen unterhalten. Er mag Kekse. Wer nicht? Und doch ist etwas anders. Oskar ist aufgrund seiner Gehbehinderung auf einen Rollator angewiesen. Er hat auch eine geistige Behinderung, die ihn im täglichen Leben und im Schulalltag „behindert“. Dafür hat der Junge mit den blonden Haaren und dem einnehmenden Lachen einen treuen Begleiter an seiner Seite, der ihn unterstützt. Allerdings nur, wenn es wirklich nötig ist, wie Inklusions­assistent Sven Wieser bemerkt. „Ich bleibe immer im Hintergrund“, sagt er. Der gelernte Heilerziehungspfleger arbeitet seit rund 15 Jahren bei Mit-Menschen. Die beiden verstehen sich sichtlich gut. 

Der Verein wurde 1959 unter dem etwas sperrigen Namen „Verein zur Förderung und Betreuung spastisch gelähmter Kinder und anderer Körperbehinderter e. V.“ gegründet. Mit-Menschen ist eine der ältes­ten Selbsthilfeorganisationen in Wuppertal. Heute bietet der Verein ein riesiges Spektrum an Unterstützungsangeboten. Dazu zählen der familienunterstützende Dienst, der Kindergarten- und Schulinklu­sionsdienst, ambulantes betreutes Wohnen sowie zahlreiche Freizeitaktivitäten und Weiterbildungsangebote. 

Gemeinsam unterwegs
Insgesamt arbeiten hier rund 400 Menschen, viele davon ehrenamtlich. Die meis­ten sind in der Kita- und Schulinklusion beschäftigt. „Wir sind an über 50 Einrichtungen tätig, von der Kita bis zum Berufskolleg“, sagt Katrin Hesse, die in dem Bereich als Leiterin arbeitet. Insgesamt zehn Jahre lang ist sie schon dabei. Ihr Credo, wenn es um die Betreuung geht: „Macht euch überflüssig.“ Gemeint ist die Befähigung der betreuten Menschen zur Selbsthilfe. Das Ziel: ein Leben mit möglichst wenig Unterstützung. Dieses Ziel verfolgt der Verein an den beiden Standorten Laurentiusplatz, hier ist die Verwaltung, und im Ladenlokal in der Friedrich-Ebert-Straße. Letzteres ist für viele Jugendliche eine Art zweites Wohnzimmer und ein Treffpunkt, wenn es auf gemeinsame Ausflüge geht. „Wir fahren zum Beispiel in den Zoo, ins Phantasia­land oder gehen picknicken im Deweert’schen Garten“, sagt Katarina Scheil, die für die Freizeitbetreuung verantwortlich ist. 

„Am Anfang denkt man: Mein Kind ist doch nicht behindert.“

Kathrin Leven

Kathrin Leven ist die Mutter des jungen Oskar und wurde – wie wohl alle Mütter von behinderten Kindern – von der Diagnose aus der Bahn geworfen. Ein Gendefekt wurde als Ursache für Oskars Behinderung ausgemacht. „Davor haben wir eineinhalb Jahre geforscht, was mit unserem Kind nicht stimmt.“ Eine Odyssee, die für die Mutter eine schwere Erkenntnis bereithielt. „Am Anfang denkt man: Mein Kind ist doch nicht behindert.“ Das zu akzeptieren war ein langer Prozess, der durch einige wenig empathische Bemerkungen von Ärzten nicht leichter wurde. 2018 hat sie sich Hilfe beim Verein Mit-Menschen geholt. Inzwischen ist Oskar in seiner Entwicklung viel weiter, als von den Ärzten prognostiziert. „Die Menschen, die zu uns kommen, bringen immer eine Geschichte mit“, sagt Katrin Hesse. Bei Mit-Menschen schaue man deshalb immer auf die ganze Familie und die individuelle Situation. 

Oskar sitzt mittlerweile auf dem Schoß seines „Assistenten“, der in dieser Situation eher wie ein guter Freund wirkt. Die Arbeit sei zwar anstrengend, aber etwas anderes komme für ihn gar nicht infrage. „Man muss den Beruf lieben, sonst geht es nicht“, sagt Sven Wieser, der selbst zwei Kinder hat. 

Text: Marc Freudenhammer
Foto: Süleyman Kayaalp

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