Vier gewinnt

Marina, Sol. Lorin, Niclas im WG-Gemeinschaftsbereich

Ein historisches Hinterhaus in der Luisenstraße ist die Heimat von vier jungen Menschen. Die WG mitten im belebten Quartier besteht seit rund zwei Jahren – es ist aber nicht die erste Wohn­gemeinschaft in diesen Räumen.

Der schmale Gang in Richtung Hinterhaus wurde mit knallbunten Kunstwerken aus der Sprühdose verschönert. An der Fassade prangt ein kleines rundes Metallschild mit dem NRW-Wappen und der Aufschrift „Denkmal“. Allerdings handelt es sich bei dem Gebäude nicht um einen Prachtbau, der einst mit schönen Verzierungen auf den Reichtum der Bewohner verweisen sollte, sondern um ein eher schlichtes Haus. Laut Denkmalliste wurde es um 1869 erbaut und seinerzeit vermutlich als Werkstatt oder bescheidener Produktionsbereich genutzt. Heute werden die Räume des dreigeschossigen Gebäudes anders genutzt: zum Leben und Lachen.

Leben und lachen in der Luisenstraße: Sol (li.) und Marina

„Im Sommer sitzen wir gern hier draußen, das ist schon irgendwie cool, so mitten in der City.“

Sol

Um das Reich von Niclas, Lorin, Sol und Marina zu erreichen, muss man zuerst eine schmale und sehr steile Holztreppe hinaufsteigen. Die linke Wand ist irgendwann mal mit Tafellack gestrichen worden, der inzwischen in einem milchigen Hellgrün daherkommt. Darauf steht „Herzlich willkommen in eurem neuen Zuhause“. Die nette Begrüßung stammt allerdings nicht von den aktuellen Bewohnern, der Urheber ist unbekannt. „Das steht da schon immer“, erklärt Niclas, der vor rund vier Jahren hier eingezogen ist. „Ist ja auch irgendwie schön“, ergänzt Lorin, die genau wie die restlichen Bewohner im Corona-Jahr 2020 dazu gestoßen sind.

Alle lachen herzlich. Es wird durchaus viel gelacht in der WG im Hinterhaus. Die vier scheinen auf einer Wellenlänge zu liegen und verstehen sich gut. Und doch sind sie froh, dass jeder sein eigenes Zimmer hat, um sich zurückziehen zu können. „Wir haben sogar jeder ein eigenes Bad“, sagt Marina etwas stolz. Und das sei schon ein echtes Highlight, das im Alltag nicht zu unterschätzen sei.

Lorin im gemeinsamen Wohn- und Essbereich

Sol bewohnt ein Zimmer im Souterrain und hat einen eigenen Eingang. Direkt vor seiner Tür ist die „Terrasse“ der WG. Eigentlich ist es nur der Durchgang zwischen dem vorderen und dem hinteren Gebäude. Ein paar Holzpaletten dienen als improvisierte Sitzecke und an der Fassade entlang windet sich ein Rest von Blau­regen. „Im Sommer sitzen wir gern hier draußen, das ist schon irgendwie cool, so mitten in der City“, sagt Sol. Er ist fürs Studium aus Berlin nach Wuppertal gezogen und fühlt sich hier ausgesprochen wohl. So mitten im Luisenviertel mag man das gut verstehen, ist es vom Charme doch durchaus mit den hippen Stadtteilen der Hauptstadt vergleichbar.

Netter Willkommensgruß im Eingangsbereich – Urheber unbekannt

Felsblick
Die 25-jährige Lorin – ursprünglich aus Solingen und Krankenpflegerin von Beruf – teilt sich mit ihrem Freund Niclas (31) die oberste Etage. Beide haben eigene Zimmer, die durch eine Tür verbunden sind. Marina ist 29, stammt aus Nürnberg und arbeitet als Redakteurin. Sie hat den meisten Platz. Insgesamt drei kleine Zimmer im Hochparterre kann sie ihr Eigen nennen. Eines haben alle Räume des Hauses gemein: ein Mangel an Tageslicht. Fenster gibt es nur auf einer Seite und durch die blickt man direkt auf das Vorderhaus. Die Sonne hat also wenig Zeit, die WG zu erhellen. Meistens so gegen 15 Uhr, sagt Lorin, „und dann ist sie auch direkt wieder weg“.

So ganz korrekt ist die Aussage mit den Fenstern übrigens nicht. In der mittleren Etage – hier ist der gemeinsam genutzte Wohnbereich der WG – gibt es auch ein Fenster in Richtung Ölberg. Allerdings reicht der Blick nicht weit. Genau genommen sind es nur 50 Zentimeter. Dank einer steilen Felswand taugt die kleine Nische lediglich als zusätzliche Abstellkammer. Immerhin gibt eine stimmungsvolle Beleuchtung durch eine bunte Lichterkette. Die Etage hat drei Bereiche, aber keine Türen: eine offene Küchenzeile, ein großes Wohnzimmer und eine Ecke mit Musikanlage und Mischpult. „Der Raum hier wird als Tanzfläche genutzt, wenn wir mal feiern“, sagt Niclas. WG-typisch kommt das auch durchaus mal öfter vor. „Wir hatten mal drei Wochenenden hintereinander Partys. Beschwerden gab es aber nicht, die Nachbarn sind zum Glück alle sehr chillig“, so Lorin.

Niclas und Lorin leben Tür an Tür

Das Wohnzimmer wird in der Mitte von Fachwerkbalken geteilt, die unmissverständlich an das Alter des Gebäudes erinnern und so etwas wie bergischen Charme im Raum versprühen. Die uralten Holzdielen, mit denen die Böden in allen Räumen bedeckt sind, tun ihr Übriges. „Wir treffen uns eigentlich jeden Tag hier“, sagt Lorin. Mal zum gemeinsamen Essen oder einfach so.


Fundstücke
Die Einrichtung im gesamten Haus ist eine bunte Mischung aus Kuriositäten, die aus dem Sozialkaufhaus stammen oder vom Sperrmüll gerettet wurden. Woher die alte Werbefahne mit der Aufschrift „Eis“ stammt, die in einem der Holzbalken steckt, weiß man nicht so genau. Sie gehört, wie so viele Dinge, schlicht zum Inventar der WG, die schon seit mindestens sechs Jahren bestehen soll. Ganz anders der gemütliche Ohrensessel in der Ecke des Zimmers, der ist Privateigentum von Niclas. „In meinem Raum hat der zu viel Platz weggenommen.“ Die diversen Grünpflanzen, eine davon in einem wuchtigen Oktoberfestglas, gedeihen eher spärlich aufgrund des akuten Lichtmangels. Auf der Fensterbank steht ein antiquarisches Telefunken-Radio mit Holzfurnier, vermutlich eher Deko als Gebrauchsgegenstand.

Beim Abschied warnt uns Marina, dass die Treppe nicht ganz ungefährlich sei. Vor Kurzem sei sie gestürzt und habe sich die Schulter ausgekugelt. „Man sollte wohl besser nicht mit hohen Schuhen und eilig da runter laufen.“ Doch inzwischen ist die Verletzung wieder verheilt und sie nimmt es mit Humor. Am Ende lachen die vier wieder gemeinsam und geleiten uns hinaus in Richtung Luisenstraße.

Text: Marc Freudenhammer
Fotos: Süleyman Kayaalp