Reden ist Gold

Petra Hornig (li.) und Jens Hochkirch (Mi.) vom Krisendienst Wendepunkt mit Nachtbürgermeister Thomas Plath vor der Laurentiuskirche in Wuppertal


Wer zuhört, kann helfen. Und damit vielleicht das Schlimmste verhindern. Der Wuppertaler Krisendienst Wendepunkt hört zu. Und das seit über 25 Jahren.

Der Sommer ist vorbei. Die Tage sind kurz und die Nächte länger als manchem lieb ist. Das kann schon mal aufs Gemüt schlagen. Wer sich dann ohnehin in einer persönlichen Krise befindet, kommt im Zweifel auf dumme Ideen. Und dann hilft in der Regel eines am besten: reden. Wer sich mitteilen kann, wer sich gehört fühlt und verstanden, dem wird eine Last von den Schultern genommen. Reden kann nachweislich ein emotionaler Wendepunkt sein, der eine Krise – egal welcher Art – in eine neue Richtung lenkt. Hin zu einer optimistischeren Sichtweise auf die eigene Situation.

Gerade in den späten Abendstunden und der Nacht kann es aber schwer sein, den richtigen Gesprächspartner zu finden. Dann kommt der Wuppertaler Krisendienst Wendepunkt mit seiner Hotline ins Spiel. Die rund 80 Mitarbeitenden der 1998 gegründeten Einrichtung sind in der Woche von 18 bis 8 Uhr und samstags, sonntags und feiertags rund um die Uhr erreichbar. Zwischen fünf und fünfzehn Anrufe gehen pro Nacht in der Zentrale am Hofkamp ein. Neben der Hotline bietet der Krisendienst auch fachkundige Beratung per Mail oder vor Ort an. „Das hat längst nicht jede Stadt“, sagt Petra Hornig, die seit fünf Jahren als Leiterin arbeitet. Rund 4.500 Kontakte habe der Dienst in 2024 verzeichnet. Darunter tendenziell immer mehr junge Menschen. Außerdem werde heute häufiger der Kontakt via E-Mail genutzt. Alle Angebote des Krisendienstes sind natürlich kostenfrei, auf Wunsch anonym und unterliegen der Schweigepflicht und dem Datenschutz.

Sichtbar werden

„Wir sind ein allgemeiner psycho-sozialer Kriseninterventionsdienst“, erklärt die 50-Jährige. Das bedeute auch, das man mit allen relevanten Stellen wie Polizei, Krankenhäusern, Frauenhäusern und anderen Einrichtungen eng zusammenarbeitet. „Wir vermitteln, unterstützen und helfen dabei, den richtigen Weg zu finden“, so Hornig. Doch bevor der Krisendienst helfen kann, muss er überhaupt als Möglichkeit in schwierigen Zeiten wahrgenommen werden. Nachtbürgermeister Thomas Plath hat sich hierfür bei den Geschäftsleuten im Luisenviertel stark gemacht. Konkret wur­den in allen teilnehmenden Geschäften, Bars und Restaurants Infomaterialien verteilt, die auf den Wendepunkt aufmerksam machen. „Jeder sollte den Krisendienst kennen“, so die Leiterin. „Wir wollen da sein, wo möglichst viele Menschen sind.“ Das Luisenviertel als beliebtes Shopping- und Ausgehviertel ist da ideal. Thomas Plath weiß aus lang­jähriger Erfahrung als Gastronom, wie es ist, wenn einsame Nachtschwärmer an der Bar versacken.

„Wir wollen da sein, wo möglichst viele Menschen sind.“

Petra Hornig

Federführend bei der Planung der Infokampagne im Viertel ist Jens Hochkirch, Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit beim Wendepunkt. Der 55-Jährige ist Quereinsteiger und mit Herz und Seele bei der Sache. Wie beinahe alle aus dem Team, hat auch er persönliche Berührungspunkte mit krisenhaften Situationen. „Jeder hat ja seine eigene Geschichte“, sagt er. Aber ab welchem Punkt spricht man eigentlich von einer Krise? Muss das der geplante Suizidversuch sein? Reicht es, wenn man auf eine Depression zusteuert? Petra Horning antwortet darauf mit einer Anekdote aus der Telefonbetreuung: „Ganz am Anfang meiner Arbeit hier, hatte ich eine Frau am Telefon, die das Gespräch damit begann, dass der Wohnzimmertisch nicht zur Inneneinrichtung passt. Sie weinte und war total verzweifelt. Irgendwann kam dann heraus, dass der Tisch das erste Möbelteil ist, das sie nach dem Tod ihres Mannes angeschafft hatte. Das eigent­liche Pro­­blem war also die emotionale Krise im Zusammenhang mit dem schweren Verlust.“ Letztlich, so Hornig, gehe es häufig um Themen wie Einsamkeit oder nicht verarbeitete Traumata, die sich besonders in den ruhigen Abendstunden den Weg ins Bewusstsein bahnen.

Kurz gesagt: Eine Notlage ist immer eine sehr individuelle Sache. „Der Klient bestimmt, was die Krise ist“, sagt Jens Hochkirch. „Jeder, der uns kontaktiert, hat ein Problem. Sonst würde er oder sie das nicht tun.“ Hemmschwellen abbauen, die persönlichen Warnzeichen ernst nehmen und vor allem sich helfen lassen – das sind die wichtigsten Ziele des Krisendienst Wendepunkt.

Text: Marc Freudenhammer
Foto: Süleyman Kayaalp

WENDEPUNKT – Wuppertaler Krisendienst gGmbH
Hofkamp 33
42103 Wuppertal
Tel. 0202 244 28 38

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