Noch eine Jazzveranstaltung in Wuppertal? Nicht ganz. Der neu gegründete Jazz Club vereint engagierte Musiker, DJs und andere Kreative jeglicher Couleur. Das Kollektiv versprüht den Charme von Aufbruch und Neuanfang.
„Call it anything“ („Nenn es, wie du willst“), antwortete Miles Davis 1970 auf die Frage eines Journalisten nach dem Titel seines Stücks, das er auf der Bühne des Isle-of-Wight-Festivals spielte. Und seine Antwort signalisierte nicht Gleichgültigkeit, sondern eine Befreiung von den gängigen Labels, die Musik gerne angehaftet werden. Namen und Titel können wie ein Korsett sein, das die künstlerische Freiheit einengt. Aber Jazz war und ist immer auch ein Synonym für Vielseitigkeit und Spontanität, ein Sammelbecken für viele verschiedene Musikstile wie auch für Musiker. Anything goes. Das schnöde Hintergrundgedudel, wie man es vielleicht noch aus alten Schwarzweißfilmen kennt, hat nichts mehr mit dem heute gelebten Jazz zu tun. Hier wird kollaboriert, was das Zeug hält. Stilübergreifend heißt das Zauberwort. Und Jazz kann noch mehr – zumindest in Wuppertal, der Heimat des deutschen Free Jazz.
So ist es denn auch keine große Überraschung, wenn sich ausgerechnet hier eine Gruppe von Menschen zusammentut, die vor allem eines eint: Experimentierfreude. Die rund 30 Enthusiasten, die sich unter dem schlicht klingenden Namen Jazz Club zusammengefunden haben, stellen die Idee in den Vordergrund, nicht das eigene Ego. Individuelle Eitelkeiten und Diven-Getue haben im Kollektiv keinen Platz. Konsequenterweise hat man sich deshalb auch dazu entschlossen, auf den ersten veröffentlichten Fotos keine Gesichter zu zeigen. Dabei ist die Liste der Jazzfreunde durchaus mit bekannten Namen gespickt. Auch bei der Zusammensetzung scheint es übrigens keine Berührungsängste zu geben: Etablierte Künstler geben sich mit jüngeren die Klinke – oder vielmehr die Instrumente – in die Hand. Man begeistert sich gemeinsam für neue Musik und respektiert die Klassiker. Gewissermaßen ein Generationenvertrag des Jazz.
Mischung als Konzept
Es geht beim Jazz Club nicht nur um eine weitere Jazz-Konzertreihe in Wuppertal, man will eine ganz neue Plattform für den künstlerischen Austausch schaffen. Schließlich teilt man auch die gleichen Probleme, die bei der Ausübung der selbsterwählten Leidenschaft entstehen. Das Kollektiv besteht dementsprechend auch nicht ausschließlich aus Musikern, sondern auch aus DJs, Veranstaltern, Designern und anderen Kreativen. Man trifft sich, organisiert gemeinsam, entwickelt Ideen, stimmt sich untereinander ab. Hier zeigt sich der Jazz als eine Art Bürgerinitiative, als Gegenentwurf zu einer oftmals elitären Szene, wie sie sich in anderen Städten gebildet hat. Ein kreativer Thinktank für Jazzangelegenheiten, wenn man so will.
Die Mischung wird beim Jazz Club zum Konzept. Immer etwas anders, immer etwas chaotisch. Und auch immer mit dem Risiko, dass etwas schiefgehen kann. Anders als bei der Musik aus der Retorte besteht bei Livemusik schließlich permanent die Gefahr, dass es nicht so richtig funktioniert. Und bei der Organisation ist es nicht anders. Umso schöner ist es dann für alle Beteiligten, wenn das „Experiment“ am Ende gelingt.
Jazz, Pop, Elektro
So verschieden wie die Künstler soll im Übrigen auch das Publikum sein. Der Jazz Club will keine Veranstaltungen für eingefleischte Jazzkenner und Szenegänger machen, sondern eine für Menschen, die gerne Livemusik hören und feiern. Und davon gibt es in Wuppertal genug. Ob elektronische Beats, poppige Rhythmen oder traditionelle Jazzstücke – im Jazz Club hat alles seinen Platz. Nichts wird von vorneherein ausgeschlossen, solange die Qualität stimmt. Auf die Frage, wie man sich denn den Ablauf der Veranstaltungen vorstellen muss, antwortet einer der Jazzenthusiasten: „Das wird richtig abgehen. Das wird brennen.“
Verortet ist das neue Projekt in der Location mit dem Namen Loch im ehemaligen Bücherschiff. Ein improvisierter Raum, der schon im vergangenen Jahr für Ausstellungen, Konzerte, Partys und andere Events genutzt und mehrfach umgestaltet wurde. Hier gründete sich in den Anfangstagen unter anderem das „Ensemble Temporär“, ein aus der spontanen Idee heraus entstandenes Straßenmusikprojekt, bei dem auch Musiker aus anderen Städten mitgewirkt haben. Einige davon sind heute wieder mit dabei. In Anlehnung an das improvisierte Ensemble will man sich beim Jazz Club auch nicht von Stadtgrenzen aufhalten lassen. Schon jetzt gibt es mehrere Mitglieder, die nicht aus dem Tal kommen.