Michael Kozinowski hat Anfang 2024 das Ende seiner Buchhandlung v. Mackensen in die Wege geleitet. Am 26. April schlossen sich die Türen für immer. Was bleibt, sind die Erinnerungen an Literatur, Kultur und ganz viel Freude.
„Diogenes geht immer“, sagt Michael Kozinowski, wenn man ihn nach seinen literarischen Vorlieben fragt. Allerdings unter Vorbehalt. Für einen, der sein ganzes Arbeitsleben dem gedruckten Wort gewidmet hat, ist es natürlich schwierig bis unmöglich, sich diesbezüglich festzulegen. „Ich habe ja auch keine Lieblingsfarbe“, so der 67-Jährige. Und richtig: Lieblingsbücher wechseln, bei manchen im Wochentakt. Ganz anders ist das bei Buchläden, die heute vor allem in der inhabergeführten Variante zu einer aussterbenden Art zählen. Die wenigen, die es überhaupt bis in die Jetztzeit geschafft haben, gibt es meist schon seit Jahrzehnten. Die Buchhandlung v. Mackensen war über viele Jahre – insgesamt waren es 78 seit der Gründung durch Addy Engelhardt – eine dieser Ausnahme-Institutionen. Der Erfolg kam nicht von ungefähr. „Der Laden war mein drittes Kind“, sagt Kozinowski rückblickend. Mehrere Generationen von bücherliebenden Menschen hat er bei ihrem Hobby begleitet und beraten. Diese menschliche Komponente hat dem Buchhändler Zeit seines Berufslebens die größte Freude bereitet. „Das wird mir am meisten fehlen.“
Tausendsassa
Schon in jungen Jahren war Kozinowski für die Buchhandlung v. Mackensen tätig. Damals waren es Botendienste, mit denen er sein Taschengeld aufstockte. Im Anschluss dann die Ausbildung zum Buchhändler beim Namensgeber Klaus v. Mackensen persönlich. Einige Jahre später folgte die Übernahme des Geschäftes, das seinerzeit noch in wesentlich kleineren Räumen in der Friedrich-Ebert-Straße 10 beheimatet war. Mit dem Umzug zum Laurentiusplatz 1998 verdoppelte sich die Verkaufsfläche. Keine kostengünstige, aber doch eine gute Entscheidung, wie Kozinowski sagt. Innerhalb von zwei Jahren habe sich auch der Umsatz verdoppelt.
„Wir konnten uns vor Anfragen kaum retten und mir fällt es schwer, Nein zu sagen, weil ich vieles total spannend finde.“
Michael Kozinowski
Insgesamt fünf Mal wurde die Buchhandlung am Laurentiusplatz mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. Auf der Website des Preises heißt es, ausgezeichnet werden „inhabergeführte Buchhandlungen, die ein literarisches Sortiment oder ein kulturelles Veranstaltungsprogramm anbieten, die innovative Geschäftsmodelle verfolgen oder sich im Bereich der Lese- und Literaturförderung engagieren.“ Eine Formulierung, die überraschend genau das Wirken von Michael Kozinowski beschreibt, denn die Verkaufstätigkeit im Laden war längst nicht die ganze Arbeit. Viele Jahre war er zum Beispiel ehrenamtlich im Börsenverein des Deutschen Buchhandels tätig. Und er hat sich als Vorstandsvorsitzender der Interessengemeinschaft Friedrich-Ebert-Straße immer wieder für das Viertel stark gemacht. Auch die Arbeit an diesem Magazin zählt dazu.
Irgendwann seien Veranstaltungen immer wichtiger geworden. „Eine Zeit lang hatten wir jede Woche wechselnde Events“, so Kozinowski. „Wir konnten uns vor Anfragen kaum retten und mir fällt es schwer, Nein zu sagen, weil ich vieles total spannend finde.“ Darunter unter anderem unzählige Büchertische, teils für prominente Autoren wie Roger Willemsen, Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller oder Ranga Yogeshwar. Viele dieser Abende bezeichnet der Buchhändler als schlichtweg „sensationell“. Nicht nur die bundesweite, auch die hiesige Prominenz aus der Literatur- und Kulturszene war regelmäßig zu Gast in seiner Buchhandlung.
Michael Kozinowski hat viele Lesungen und andere Events ins Leben gerufen, begleitet, mitgemacht, wo andere aus Gründern der Wirtschaftlichkeit dankend abgelehnt haben. Eines der größten Events dieser Art war der Wuppervision Songcontest auf dem Laurentiusplatz, den die IG Friedrich-Ebert-Straße gemeinsam mit dem Schüler-Rockfestival-Initiator Kalle Waldinger auf die Beine gestellt hatte. Insgesamt 38 Bands und Musiker spielten zwei Tage lang um die Gunst des Publikums. Im Anschluss wurde das Finale des Eurovision Song Contest auf einer großen Leinwand gezeigt. Das war 2011. „Wir waren bekloppt“, sagt Michael Kozinowski heute. Viel Arbeit sei das gewesen. „Ich habe immer alles gemacht, was mir Spaß macht – ob sich damit Geld verdienen lässt oder nicht.“ Und was wird jetzt? Wie stellt sich ein Michael Kozinowski den Ruhestand vor?
Zeit für die Enkel
Im Privaten ist der Buchhändler ein begeisterter Musikfan. Besonders der Jazz hat es ihm angetan. In seiner analogen Plattensammlung findet sich darüber hinaus aber auch ein großes Repertoire an Orgelmusik. „Noch besser ist die Kombination aus Beidem. Ich war mal bei einem Orgelkonzert von Helge Schneider in der Philharmonie in Köln. Das war wirklich sensationell!“
Ende April verabschiedete sich Michael Kozinowski endgültig mit einem kleinen Fest von Kunden, Geschäftsfreunden, Mitarbeitenden, Nachbarn – und dem Luisenviertel. Nach vorne blickt er trotzdem voller Vorfreude: „Ich freue mich auf meine vier Enkelkinder, auf Fahrradfahren, Musikhören, vielleicht noch mal das Saxophon-Spiel ausprobieren. Und ich kann endlich meine riesigen Bücherstapel sortieren.“ Das passende Regal dafür ist bereits bestellt. Man kann wohl davon ausgehen, dass auch der vermeintliche Ruhestand von Michael Kozinowski auf die ein oder andere Art sensationell wird.
Text: Marc Freudenhammer
Foto: Süleyman Kayaalp