Papa Daxophon

Porträt Hans Reichel

Hans Reichel war Musiker, Instrumentenbauer, Schriftgestalter, Improvisationskünstler – und ein Luisenviertelurgestein. Rückblick auf ein Leben im Namen der Kunst.

Wenn man heute mit Menschen spricht, die Hans Reichel gut kannten, hört man oft, dass er ein besonderer Mensch war. Ein kreativer Kopf mit verrückten Ideen, die am Ende dann manchmal doch nicht so verrückt waren. Einer, der sich nicht künstlich verstellte, keinem was vorspielte, der dann und wann auch mal aneckte. Geboren wurde Reichel am 10. Mai 1949 in Hagen, sein Leben verbrachte der im November 2011 verstorbene Universalkünstler aber in Wuppertal. Einen Großteil davon im Luisenviertel. Er war eine der herausragendsten Figuren der vergangenen Jahre im Wuppertaler Kulturbetrieb. 1998 wurde er mit dem Kunstpreis der Stadtsparkasse Wuppertal ausgezeichnet.

Kahlgeschorener Kopf, buschige Augenbrauen, kreisrunde Hornbrille und ein sanftes Lächeln. So könnte man das Äußere Reichels in knappen Worten umreißen. Menschen, die ihm nahestanden, sagen, er habe sich oft zurückgezogen, um im stillen Kämmerlein an seinen Ideen zu tüfteln, bis diese reif für das Licht der Welt waren. „Sein Schaffen war erfüllt von Liebe zum Detail, er hing an Dingen, die er schuf“, heißt es in einem Text, der anlässlich der letzten Ausstellung Reichels verfasst wurde. Dabei ging es ihm nie um den kommerziellen Erfolg – den er mehr als einmal bewusst ablehnte –, sondern einzig um das künstlerische Schaffen. Mehrfach ermunterte er Menschen, es ihm gleicht zu tun und kreativ erfinderisch tätig zu werden. Das Tun als Ziel.

Das Daxophon
Das wohl bekannteste Instrument, das Reichel erfunden hat, ist das Daxophon. Ein kurioses und schwer in Worte zu fassendes Klangwunder, das mit einem Cellobogen gespielt wird. Kernstücke dieses Instruments sind unterschiedlich geformte Holzzungen, mit denen sich verschiedene Tonhöhen erzeugen lassen. Das Spektrum reicht dabei salopp gesagt von Katzengejaule bis zu tiefen Rülpslauten. Eine wahre Goldgrube für Musiker, die sich mit improvisierter und Experimental-Musik beschäftigten. Noch heute spielen internationale Musiker wie beispielsweis Daniel Fishkin und Kazuhisa Uchihashi das Daxophon. Letz­terer zählte zu einem der engsten Freunde Hans Reichels. Wer sich mit dem Sound dieses ungewöhnlichen Instruments vertraut machen will, dem sei das kürzlich erschienene Album mit dem Titel „Singing Daxophone“ von Uchihashi ans Herz gelegt.

„Ich verstehe mich als Werkzeugmacher. So wie jemand einen Hammer oder Nägel herstellt, ohne zu wissen, was später damit gehämmert und genagelt wird.“

Hans Reichel

Der Musiker Hans Reichel wird als Teil der internationalen Free-Improvisation-Musikszene gesehen. Er veröffentlichte über die Jahre etliche Alben und Singles, komponierte aber beispielsweise auch für Theaterstücke. Im Rahmen von zahlreichen Konzert-Tourneen reiste der Wuppertaler in über vierzig Länder in Europa, Nordamerika und Südostasien. Oft zog es ihn nach Japan, wo er auch für einige Monate lebte. Seine selbstkonstruierten Instrumente wurden in amerikanischen, japanischen und europäischen Fachzeitschriften diskutiert.

Hammer und Nagel
Neben der Musik schlug das Herz Reichels für die Gestaltung neuer Schriftarten. Ein Metier, das ihm einige Erfolge einbrachte und das ihm nicht zuletzt eine finanzielle Grundlage für sein künstlerisches Schaffen bescherte. Seine Schriftfamilie FF Dax gehört bis heute zu den zehn populärsten Schriften der Welt und wird unter anderem von UPS, der Norisbank, der Neuen Demokratischen Partei Kanadas und dem Total Music Meeting verwendet. Das Grundverständnis Hans Reichels war bei seiner Arbeit stets das gleiche: „Ich verstehe mich als Werkzeugmacher. So wie jemand einen Hammer oder Nägel herstellt, ohne zu wissen, was später damit gehämmert und genagelt wird.“

Text: Marc Freudenhammer
Foto: Süleyman Kayaalp

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