Andreas Iglhaut weiß, was Kunstwerke brauchen. Als Restaurator des Von der Heydt-Museums kümmert er sich seit über 30 Jahren mit viel Erfahrung und Know-how um wertvolle Werke.
Eine Lupenbrille auf der Nase und eine Taschenlampe in der Hand. Behutsam und aus nächster Nähe scannt Andreas Iglhaut die empfindliche Oberfläche eines Öl-Gemäldes aus dem Jahr 1964. Das Pop-Art-Kunstwerk mit dem Titel „Four“ ist eines der vielen Werke, die das Von der Heydt-Museum in der neuen Ausstellung „ZERO, Pop und Minimal – die 1960er und 1970er Jahre“ zeigt. Viele weitere warten noch auf die Begutachtung durch den erfahrenen Restaurator. Dem entgeht kein Riss, keine Verschmutzung oder andere Beschädigung. Konzentration und Geduld gehören zum Arbeitsalltag des 59-Jährigen. „So kennt man Herrn Iglhaut“, sagt Anika Bruns, die gemeinsam mit Beate Eickhoff die Ausstellung kuratiert.
Wie jeden Tag ist Andreas Iglhaut auch heute mit dem Fahrrad zur Arbeit gekommen. Das mache er unabhängig von „Wind und Wetter“, sagt der gebürtig aus dem Schwarzwald stammende Wahlwuppertaler. Sein Arbeitsweg führt ihn mitten durchs Luisenviertel, hier hat er selbst viele Jahre lang gewohnt. Noch heute fühlt er sich dem Viertel verbunden, besucht regelmäßig die Cafés und Restaurants zwischen Kasinokreisel und Robert-Daum-Platz. Natürlich nicht mehr ganz so häufig wie früher, als er noch jünger war, so Iglhaut.
„Man muss jedes Mal neu entscheiden, welche Makel restauriert werden sollen und was zum Leben des Kunstwerks dazugehört.“
Andreas Iglhaut
Teamwork
Beim Gang durch die im Aufbau befindliche Ausstellung fällt auf, dass Andreas Iglhaut sich um weitaus mehr kümmern muss als Gemälde. Es gibt Skulpturen, Lichtinstallationen, Objekte – die Vielfalt ist riesig. Als Restaurator im Museum muss er sich mit allen möglichen Materialien auskennen. Ein Beispiel: Bei einem der berühmten Nagelbilder des ZERO-Künstlers Günther Uecker blättert bei einem der langen Nägel etwas weiße Farbe ab. Handelt es sich um eine Beschädigung oder gehört die Abnutzung zum Kunstwerk? Was ist zu tun? „Wir entscheiden bei größeren Eingriffen im Team, inwieweit wir Hand anlegen dürfen“, erklärt Iglhaut. Man müsse letztlich immer abwägen. Im Zweifel bleibt nur die Rücksprache mit dem Urheber des Kunstwerks oder einer Person, die derartige Dinge rechtssicher entscheiden kann. Nicht immer kann Iglhaut darauf vertrauen, dass die Entscheidungsträger ihrer Verantwortung auch gerecht werden. So habe ein Ansprechpartner auf die Nachfrage, was man mit der ehemals weißen Gipsplastik „Ruth in the Kitchen“ des US-Künstlers George Segal machen solle, geantwortet „Paint it all over!“ Das habe man dann natürlich nicht gemacht, sagt der Restaurator.
Richtig schwierig wird es, wenn Materialien im Spiel sind, die zweckentfremdet im Kunstwerk gelandet sind. Das ist gar nicht so selten der Fall, so findet sich in der Ausstellung auch ein Schokoladenbild des Schweizer Künstlers Dieter Roth. Die leckere braune Masse verhält sich natürlich anders als Ölfarbe. „Man muss jedes Mal neu entscheiden, welche Makel restauriert werden sollen und was zum Leben des Kunstwerks dazugehört“, bringt es Iglhaut auf den Punkt. Größere Eingriffe, die ein Werk nachhaltig verändern, werden ausführlich dokumentiert und auf der jeweiligen Bildbeschriftung mit Jahresangabe vermerkt.
Multitalent
Das nötige Know-how für seine Arbeit hat sich der „Hüter der Kunst“ über die Jahre selbst angeeignet. „Angefangen habe ich mit Gemälden“, sagt Andreas Iglhaut. Heute muss er sich zum Beispiel auch mit kinetischen Lichtobjekten auseinandersetzen, deren Funktion nicht immer logisch nachvollziehbar ist. Das erschwert natürlich die Instandhaltung und kostet Zeit, zum Beispiel für die Recherche nach passenden Ersatzteilen, die sind nämlich gerade bei älteren Werken oft nur schwer zu bekommen. Für den Restaurator ist es aber genau diese Vielfalt und die Abwechslung bei der Arbeit, die ihn motivieren. Eine Lieblingsepoche hat Iglhaut übrigens nicht. „Ich finde es unheimlich spannend, mich immer wieder in verschiedene Kunstströmungen einzuarbeiten.“
In einem der Ausstellungsräume steht eine verschlossene Holzkiste in der Mitte des Raumes auf dem Boden. Laut Beschriftung handelt es sich um ein Werk des deutschen Künstlers Franz Erhard Walther. „Die wurde heute erst angeliefert. Bevor wir die Kiste öffnen, muss sie sich erst akklimatisieren“, erklärt Iglhaut. Auf das Öffnen freue er sich aber schon jetzt. Das sei immer ein besonderer Moment.
Text: Marc Freudenhammer
Fotos: Süleyman Kayaalp