Marlene Schmidt-Büchele ist gewissermaßen eine Ureinwohnerin des Luisenviertels. Seit Anfang der Siebziger lebt und arbeitet sie hier. In ihrer Wohnung kann man diesem langen Lebensweg nachspüren.
„Hier will ich wohnen“ – das war der erste Gedanke, der Marlene Schmidt-Büchele in den Sinn kam, als sie vor über 50 Jahren durchs Luisenviertel schlenderte. Ihr 1987 verstorbene Mann, Jürgen Schmidt-Büchele, arbeitete seinerzeit am Wuppertaler Theater. Was heutigen Besuchern des Viertels durchaus nachvollziehbar erscheint, war damals bestenfalls mutig. Denn, so Schmidt-Büchele, „es gab hier nichts, außer einem Zinngießer, der in den Räumen des heutigen Café Luise arbeitete. Ansonsten war alles ziemlich runtergekommen.“ Und doch übte das kleine Viertel im Wuppertaler Westen eine Anziehungskraft auf die junge Frau aus. Ihre Idee: ein eigener Laden in der Luisenstraße. Rund zehn Jahre nach der ersten Begegnung mit dem Viertel, hatte Schmidt-Büchele dann durch ihre Arbeit als Immobilienmaklerin genug Geld gesammelt, um selbst ein Haus zu kaufen, das bis heute ihr Zuhause ist.
Liebe zum Detail
Von ihrem mit zahlreichen Blumen bestückten, schmalen Balkon mit dem schweren Geländer aus Gusseisen kann sie weit ins Viertel blicken. Bekommt alles mit, was sich auf der Straße abspielt. Zur anderen Seite hin gelangt man über eine Brücke in eine grüne Garten-Oase. Im Innern wird man von einer geschmackvollen Mixtur aus Antiquitäten, Ölgemälden, Zeichnungen, Fotos und Kleidern aus den zwanziger Jahren empfangen. „Jedes Teil hat seine Geschichte“, sagt die gebürtige Duisburgerin mit den langen roten Haaren. Das glaubt man gerne. Viele der Dinge, die heute den Wohnraum von Schmidt-Büchele schmücken, stammen noch aus der Zeit, als sie in ihrem Laden „Mona Lisa“ Second-Hand-Mode und historische Bekleidung aus 1870 bis 1980 betrieb. „Meine große Liebe waren Kleider und Accessoires“, sagt sie. „Ich bin zwar keine Expertin, habe aber immer ein gutes Gespür für die Stoffe gehabt.“ Um diese zu besorgen, reiste sie etliche Male in die USA, wo sie die begehrten Stücke einkaufte. Das ein oder andere Mal führte sie ihr Weg auch in das populäre Auktionshaus Hôtel Drouot in Paris, wo sie besondere Abendkleider ersteigerte.
„Meine große Liebe waren Kleider und Accessoires.“
Marlene Schmidt-Büchele
Eine ihrer ältesten Errungenschaften sind historische Kristallgläser mit quadratischen Füßen und handgeschliffenen Gravuren. Schmidt-Büchele schätzt, dass sie aus dem 17. Jahrhundert stammen. Eine Sache ist der Luisenviertelbewohnerin allerdings wichtig: „Ich war immer Händler, nie Sammler.“ Soll heißen, es ging ihr nie darum, Dinge für sich zu haben, sondern sie weiterzuverkaufen – natürlich möglichst gewinnbringend. Da das nicht immer gelingt, hat sich über die Zeit dann doch einiges angesammelt. „Ich will nichts mehr“, sagt Schmidt-Büchele deswegen heute.
In Bewegung
Bilder und Deko aus dem schwedischen Möbelhaus sucht man in der Wohnung vergeblich. Dafür entdeckt man auch mal eine Originalzeichnung aus der Feder der Wuppertaler Free-Jazz-Legende Peter Kowald an der Wand im Wohnzimmer. Kein Zufall, denn Schmidt-Büchele hat die Entwicklung der Kunst- und Kulturszene des Viertels Ende des letzten Jahrhunderts hautnah miterlebt. Sie war ein Teil davon. Die internationalen Musiker, die immer wieder in Kowalds „Ort“ zu Besuch waren, fanden nicht selten eine Unterkunft im Dachgeschoss ihres Hauses.
„Ich bin ein sehr kommunikativer Mensch. Den ganzen Tag nicht reden, das liegt mir nicht“, sagt sie. Dementsprechend bewegt sich Schmidt-Büchele auch heute noch oft und gerne durch ihr Viertel. Gerne sitzt sie nachmittags im Café Engel am Laurentiusplatz oder – wenn sie doch mal etwas Ruhe haben will – im Deweerth‘schen Garten.
Artikel: Marc Freudenhammer
Foto: Süleyman Kayaalp