Mit Essen spielt man nicht – und was, wenn doch? Für Giacomo Mazzarella gehören Experimente in der Küche seit seiner Jugend dazu. Ein Erfolgsrezept.
Wie beschreibt man eigentlich Geschmack? Wörter kann man nicht essen und Sätze nicht schmecken. Bilder kann man nicht riechen. Und doch verfolgen Millionen Zuschauer täglich Koch-Shows im Fernsehen oder studieren Koch-Magazine. Was soll das? Natürlich weiß man, wie ein Spiegelei schmeckt. Oder wie frisch angebratene Zwiebeln riechen. Oder Knoblauch. Aber was den Reiz eines wirklich gut komponierten Gerichts ausmacht, kann man einfach nicht mit Worten oder Bildern beschreiben. Und doch ist eigentlich alles ganz einfach, sagt Giacomo Mazzarella: „Es gibt ja im Prinzip nur fünf Geschmäcker: süß, sauer, salzig, bitter … und umami, das bedeutet so viel wie vollmundig.“ Den Besitzer des kleinen Restaurants San Leo kann man getrost als echten Geschmacksprofi bezeichnen. Er selbst würde sich nicht so nennen. Dennoch: Mazzarella ist Koch aus Leidenschaft. Das merkt man, wenn der gebürtige Sizilianer über Essen redet. Und man kann es erleben, wenn man seine Speisen kostet.
Italiener ohne Pizza
Seine Begeisterung für gutes Essen hat er vor langer Zeit zu seinem Beruf gemacht. Schon als 16-Jähriger hat er gerne gekocht. Seine Kochlehre hat er allerdings geschmissen. „Der Chefkoch fand, dass ich nicht geeignet wäre“, sagt er. Irgendwann hat er es dann doch noch mal versucht. Um Geld zu verdienen, wie er sagt. „Ich habe mich hochgearbeitet. Am Anfang habe ich als Tellerwäscher gearbeitet, dann selbst gekocht und schließlich einen eigenen Pizza-Laden aufgemacht.“ Seit April 2003 steht er in der Küche seines eigenen Restaurants im Luisenviertel. Pizza hat er mittlerweile komplett von der Karte verbannt, stattdessen verwöhnt er seine Gäste mit einzigartigen Geschmackskreationen, für die er sich gerne auch mal von der japanischen Küche inspirieren lässt.
Das Geheimnis seiner Kochkunst? Gibt es nicht. „Es ist ja alles schon da. Ich erfinde nichts Neues“, so der 44-Jährige. Die Tatsache, dass die insgesamt sechs Tische in seinem Restaurant permanent mit Gästen besetzt sind, beweist, dass das nicht so ganz stimmen kann. Mazzarella setzt zu hundert Prozent auf selber machen statt fertig kaufen. Sei es das jeden Tag frisch gebackene Brot oder die vielen verschiedenen eingelegten Leckereien. Eines ist dabei gewiss: Berührungsängste mit neuen, exotischen Zutaten kennt er nicht. Zuletzt hat er sich an Bittergurke versucht, einer im rohen Zustand sehr bitteren tropischen Pflanzenart aus der Familie der Kürbisgewächse. Oft entstünden neue Gerichte auch einfach aus dem Wunsch heraus, keine Lebensmittel zu verschwenden, erklärt Mazzarella.
Aus Rogen (Fischeier), die viele Köche bei der Zubereitung einfach entsorgen, hat er durch Trocknen eine neue Zutat gemacht, die er zum Beispiel für Bruschetta und Risotto verwendet. „Ich habe einfach versucht, etwas daraus zu machen, und irgendwann hat es dann geklappt“, so der Koch. Neugierde und etwas Mut, neue Dinge auszuprobieren – zwei Eigenschaften, die in Mazzarellas Augen unerlässlich sind, um den Gaumen immer wieder neu zu stimulieren. Er hat daraus eine Art Konzept gemacht, eine feste Karte sucht man bei ihm vergeblich. „Das läuft viel über das Vertrauen der Gäste“, so Mazzarella.
Was gut schmeckt und was nicht, ist für ihn eine ganz persönliche Angelegenheit: „Zuallererst müssen neue Speisen mir und meinen Mitarbeitern schmecken, erst dann kommen sie auf die Karte.“ In gewisser Weise sei die Kreation neuer Geschmackserlebnisse aber auch eine Frage des Trainings: „Ich glaube schon, dass man seinen Geschmack erweitern und trainieren kann. Man muss einfach Interesse daran haben.“ Ein Beispiel für richtig guten Geschmack hat er dann auch direkt parat: „Ich habe mal ein Stück Schweinfleisch gegessen, dessen Geschmack mich dreißig Jahre in die Vergangenheit katapultiert hat. Das war so lecker, dass es mich an eine Situation erinnerte, als ich noch klein war und mein Opa zu Familienfesten selbst geschlachtetes Fleisch gegrillt hat.“ Eines steht für Giacomo Mazzarella fest: „Wenn wir schon jeden Tag essen müssen, dann soll es auch schmecken.“ In diesem Sinne: Buon appetito!