Bunter Beton

Das Elberfelder Jugendzentrum ist schon von Weitem als solches zu erkennen. Die Graffitis auf dem Vorplatz scheinen zu rufen: Hier tobt das Leben! Und so ist es.        

Die Jugendzeit ist schon ein seltsamer Schwebezustand zwischen Kindheit und Erwachsen werden. Sie ist bunt, laut, schnell und manchmal für alle Beteiligten verwirrend. Sie ist ständig in Bewegung. Neue Menschen, neue Orte, neue Aufgaben. Junge Menschen im Alter zwischen 10 und 17 Jahren erleben diesen Wandel sehr intensiv und sie brauchen geschützte Rückzugs­orte abseits des eigenen Zimmers – sofern eines zur Verfügung steht. Diese sind allerdings rar. Treffen im Café? Viel zu teuer. Das ist hier in Wuppertal nicht anders als anderswo. Offene Jugendzentren sind solche Rückzugsorte. Insgesamt 17 davon gibt es in unserer Stadt, das Haus der Jugend Elberfeld (HDJ) ist das größte. „Hier ist das Herzstück Wuppertals“, sagt die Leiterin Leman Altay stolz. Das Einzugsgebiet des Hauses erstrecke sich über alle Stadtteile. 


Treffpunkt Bergstraße
Die 38-Jährige hat vor einem Jahr die Leitung des HDJ übernommen. Gemeinsam mit ihrem Team, bestehend aus den drei hauptamtlichen Sozialarbeiter:innen Sara Posischil, Patrick Müller und Silke Königs­mark, sorgt sie dafür, dass alles nach Plan läuft. Aber was ist eigentlich der Plan? „Wir wollen für alle Jugendlichen offen sein. Das Angebot ist bewusst niederschwellig gehalten, es gibt keine Anmeldungen, jeder kann kommen und gehen, wie er will.“ Ein Ort der Begegnung. Der Name ist aller­dings Programm: Eltern müssen draußen bleiben. 

Regelmäßig werden die unterschiedlichsten Aktionen angeboten: Sport- und Tanz­kurse, Fußball, Gaming, Rap, Graffiti. Es gibt ein eigenes modernes Tonstudio im Erdgeschoss und ganz oben eine große Sporthalle mit einem herrlichen Weitblick über Elberfeld. Täglich stehen den Jugendlichen Billard, Tischtennis und Kicker sowie spezielle Gruppenräume zur Verfügung, die gegen Pfand genutzt werden können. WLAN ist natürlich auch vorhanden.


Für Leman Altay ist mit der Leitung des HDJ ein kleiner Traum in Erfüllung gegangen. Einer, den sie rund 20 Jahre lang geträumt hat. „Ich habe hier damals im Rahmen meiner Ausbildung ein Praktikum gemacht und fand die Einrichtung richtig toll.“ Der damalige Leiter, Sebastian Göke, habe einen super Job gemacht. Sie nahm sich vor, irgendwann selbst das Haus zu leiten. Was folgte, waren zahlreiche Erfahrungen in verschiedenen Bereichen der städtischen Jugendhilfe. Jetzt ist sie am Ziel. Was hat sich im Gegensatz zu früher verändert? „Die Probleme der Jugendlichen sind im Prinzip gleich geblieben, aber die Lebenswelten haben sich verändert“, sagt Altay. Ein Beispiel sind die durch diverse Krisen ausgelösten Fluchtbewegungen. Diese machen sich immer schnell bemerkbar. 2015 fanden viele junge Syrer den Weg ins HDJ, jetzt, nach dem russischen Angriffskrieg, sind es die Jugendlichen aus der Ukraine. Ein Problem sei das nicht, sagt Altay: „Die Integration gelingt bei uns immer sehr schnell.“

Es gibt aber auch Dinge, die sich seit 20 Jahren nicht geändert haben. Zum Beispiel das Mittagessen im HDJ, das es schon immer für 50 Cent gibt. Mal ist es eine hausgemachte Mahlzeit und mal ein einfaches Käsesandwich. Hungern muss hier wirklich niemand.


Auf in die Zukunft
Täglich kommen rund 30 bis 100 Kinder und Jugendliche. Bei schlechtem Wetter sind es mehr, bei gutem eher weniger. Regelmäßig geht Altay Kooperationen mit anderen Trägern ein, so zum Beispiel mit dem Jobcenter, das Berufsberatung direkt im Jugendzentrum anbietet. Für das Projekt Urbaner KunstRaum Wuppertal (UKW), das die Wuppertaler Streetart-Aktivistin Valentina Manojlov ins Leben gerufen hat, soll bald ein eigener Podcast mit den Jugendlichen produziert werden. Im gegenseitigen Austausch werden sie über das Thema Heimat sprechen. Am Ende dient dies der Motivfindung für eines der großformatigen Wandgemälde an Wuppertaler Hausfassaden, die in den nächsten Jahren im Rahmen des Projekts von internationalen Künstler:innen angefertigt werden sollen. Graffitis spielen auch im Innern des HDJ eine große Rolle. An vielen Wänden sind zuletzt neue Wandbilder entstanden. Graffiti ist seit jeher ein Synonym für Jugendkultur – bunt, wild, strahlend. Genau wie die Menschen, die hier jeden Tag ein und aus gehen. 

Text: Marc Freudenhammer